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frauenBeratung
nürnberg
für gewaltbetroffene Frauen & Mädchen
0911- 284400

   

Zeichnung der Mitarbeiterinnen der frauenBeratung nürnberg

 


Kampagne
"Nicht Gesehen"

 

Nicht Gesehen

Die Corona Krise – eine neue Krise des Alten

Seit Wochen sind die Medien durch die Berichterstattungen über Corona und dessen gesellschaftliche Folgen überflutet – neue Zahlen an Infektionen, neue Erkenntnisse über das Virus, neue Gesetze und Verhaltensregeln, neue Probleme, die für bestimmte Menschen als Folge der Krise auftauchen.
Nicht selten aber sind diese Probleme, die für bestimmte Menschen durch die Krise entstehen, im Kern gesellschaftliche Probleme, die bereits vor der Krise gewirkt haben und sich nun in neuer Form zeigen, sich zuspitzen, verhärten und reproduzieren.
Wie auch schon vor der Krise wird deutlich, dass im öffentlichen Diskurs sowie von den Entscheidungsträger*innen, viele verschiedene Lebensrealitäten ignoriert und nicht mitgedacht werden, wodurch Corona für viele eine neue Krise im Alten darstellt. Die Pandemie zeigt, COVID19 trifft uns nicht alle in gleichem Maß - auch wenn wir alle von den Kontaktsperren und Ausgangsbeschränkungen betroffen sind, zeigen sich unterschiedliche Auswirkungen, die in aller Härte diejenigen treffen, die auch schon vor Corona durch ein ungleiches Machtverhältnis innerhalb der Gesellschaft von Diskriminierungen betroffen waren.

Aufgrund der Gefahren durch das Virus, die insbesondere für die Risikogruppen bestehen, ist ein verantwortungsvoller und solidarischer Umgang nötig. Wir, als frauenBeratung nürnberg für gewaltbetroffene Frauen und Mädchen, sehen es daher als notwendig an, jene Menschen und deren Probleme zu benennen und sichtbar zu machen, die nicht durch das Virus allein entstanden sind, sondern durch den politischen Umgang damit, der eben jene Auswirkungen nicht bedenkt oder benennt, die im Spezifischen Frauen treffen.

 
Systemtragend sind Frauen – systembestimmend sind Männer

In der Betrachtung von Statistiken fällt auf, diejenigen Berufe, die für die grundlegenden menschlichen Bedürfnisse notwendig sind, also jene Berufe, die in der Krise die tragenden Berufe sind, werden zum allergrößten Teil von Frauen ausgeübt: In Krankenhäusern arbeiten 76 Prozent Frauen, im Einzelhandel 72,9 Prozent Frauen, in Kindertagesstätten und Vorschulen 92,0 Prozent, in der Sozialen Arbeit je nach Studienschwerpunkt 71,6-93,1 Prozent (vgl. Statistik der Bundesagentur für Arbeit).
In der Betrachtung der Medien allerdings fällt auf, die tragenden Stimmen zur Krise sind männliche Stimmen. Frauen sind demnach nicht gefragt. Warum? Eine These von EDITION F ist, dass Frauen zwischen Care-Arbeit, emotionaler Arbeit und systemrelevanter Lohnarbeit keine Zeit für die Antworten haben. Weiter, dass die Politik und Gesellschaft ihre Antworten und ihre daraus entstehenden Forderungen nicht hören will.

Sexismus in der Care-Arbeit

Genauso wie in den systemtragenden Berufen, ist auch der unbezahlte Care-Bereich mehrheitlich von Frauen getragen. Frauen leisten mehr als doppelt so viel direkte Care Arbeit (Betreuung von Kindern, kochen, putzen uvm.) und übernehmen zu 2/3 die unbezahlte familiäre Pflege (vgl. BMFSJF Gender Care Gap. 2019.)

In der Corona Krise wird diese ungerechte Verteilung von Care-Arbeit noch einmal besonders deutlich. Während Männer allermeist weiterhin ihrem Job nachgehen, egal ob im Büro oder im Home-Office, zerreißen sich die (alleinerziehenden) Mütter zwischen Homeoffice, Kinderbetreuung und Homeschooling. Sie verlieren schlimmstenfalls ihr Einkommen/ihren Job/ihre Aufträge, weil sie aufgrund der quasi rund-um-die-Uhr-Care-Arbeit (fast) nicht erwerbsarbeiten können. Und hier sind noch nicht einmal die psychischen, emotionalen und sozialen Auswirkungen auf Kinder und Jugendliche benannt. In einer Situation, in der nicht nur vieles ungewiss ist und sich Stress mit Existenzangst mischt, sondern auch die soziale Kontrolle fehlt – siehe auch Stellungnahme der Deutschen Akademie für Kinder- und Jugendmedizin e.V. zu weiteren Einschränkungen der Lebensbedingungen von Kindern und Jugendlichen in der Pandemie mit dem neuen Coronavirus (SARS-CoV-2).

Häusliche Gewalt

Mitten in der Pandemie fällt auf, dass die Gesellschaft und Politik viel zu wenig für Gewaltschutz und Prävention getan haben. Die Coronakrise ist Vergrößerungsglas und Verstärker zugleich. Alle Dinge, die wir zwischenmenschlich und gesellschaftlich haben schleifen lassen, treten überdeutlich und in sehr viel größerem Umfang zutage.
Das Thema häusliche Gewalt hat in den letzten Wochen deutlich mehr Pressestimmen bekommen, als wir es aus unserer alltäglichen Arbeit kennen. Dies ist auf einer Seite sehr zu begrüßen, denn geschlechtsspezifische Gewalt ist ein gesellschaftliches Problem und muss aus der Tabuzone geholt werden. Auf der anderen Seite lesen wir in der Berichterstattung leider sehr oft, dass nun in der Krise, mehr Partnerschaftskonflikte eskalieren würden. Gewalt gegen Frauen ist aber nun mal kein eskalierender Konflikt, dies würde eine grundsätzliche Begegnung auf Augenhöhe voraussetzen und eben auch kein Resultat der aktuellen Pandemie, sondern die Ursachen dieser Gewalt sind ein ungleiches Machtverhältnis zwischen den Geschlechtern und patriarchale Vorstellungen von Männlichkeit.

Im Zusammenhang mit der Krise wird nun auch an vielen Stellen der Ausbau von Frauenhäusern gefordert, wie sonst eben an jedem Tag im Jahr von Frauenhäusern und anderen feministischen Initiativen; auch das finden wir gut. Doch nur zur Erinnerung: ein Frauenhaus ist eine kurzfristige Lösung und Entlastung für gewaltbetroffene Frauen und ggf. deren Kinder. Nicht jede Art von Gewaltbetroffenheit braucht aber einen Schutzraum in der Form eines Frauenhauses. Was gewaltbetroffene, genauso wie andere marginalisierte Gruppen langfristig brauchen, ist bezahlbarer, guter Wohnraum, unabhängig von Einkommen, Leistungsbezügen, Behinderung, Flucht- oder Migrationsgeschichte. Neben dem Ausbau der Frauenhäuser, brauchen sie auch einen Ausbau und eine nachhaltige, gesicherte Finanzierung der Fachberatungsstellen, denn hier können Betroffene unkompliziert und unbürokratisch die Unterstützung finden, die zu Ihnen passt.

Zur Erinnerung: Opfer von Partnerschaftsgewalt sind zu über 81% Frauen. Etwa jede 4. Frau in Deutschland ist von physischer und/oder sexualisierter Gewalt durch einen Partner oder Expartner betroffen. Das geschieht zumeist in den eigenen vier Wänden. Wir werden also sehr viel mehr Geld als bisher in die Hand nehmen und sehr viel deutlicher Gewalt ächten müssen. Wir werden endlich aufhören müssen, mit Opfern von oben herab darüber zu reden, was sie angeblich hätten besser machen müssen, um sich zu schützen (vgl. BMFSJF, Lebenssituation, Sicherheit und Gesundheit von Frauen in Deutschland, 2004).

Hürden beim Schwangerschaftsabbruch

Frauen und Mädchen, die sich – egal aus welchem Grund – aktuell für einen Schwangerschaftsabbruch entscheiden, stoßen auf enorme Hürden, da durch die Pandemie die vorgegebenen Fristen im StGB nur schwer eingehalten werden können. Leider können wir hier ein enormes Gefälle von Stadt zu Land sehen. In urbanen Gegenden ist die Infrastruktur noch soweit aufrecht, dass für die Frauen der Zugang – ähnlich schlecht, wie sonst eben auch – möglich ist. Auf dem Land ist es deutlich schwieriger. Warum benennen wir diesen Punkt? Frauen und Mädchen, die von Gewalt betroffen sind, werden nun einmal zum Teil ungewollt schwanger. Die fehlende Selbstbestimmung aus dem Gewalterleben wird fortgesetzt, in dem der Gesetzgeber reproduktionsfähigen Körpern abspricht, über sich selbst zu bestimmen.

Psychisch Erkrankte in der Krise

Viele unserer Klientinnen haben chronische psychische Erkrankungen. Viele von Ihnen hatten ein Unterstützungssystem – oft über viele Jahre und mit viel Mühe - aufgebaut und hilfreiche Strategien und Routinen entwickelt. Und nun in der Krise wurden einfach viele dieser Dienste für psychisch Erkrankte heruntergefahren und teilweise eingestellt – ohne in angemessener Form Ersatzstrukturen zu schaffen. Bei der Digitalisierung sind soziale Dienste weit hinter der aktuellen Entwicklung – dies liegt häufig an fehlenden Finanzierungen. So wird nun in der Krise einfach mal gemacht, dass passt weder zu dem Anspruch der Fachdienste professionelle Unterstützung zu geben, noch zu den Bedürfnissen der Klientinnen, da diese sich nun auch noch in der absolut ungewissen Zeit in neue Formen der Unterstützung einlassen und einarbeiten müssen. So ist die Situation nun, dass für viele erst einmal alles zusammenbrach.

Viele der politischen Maßnahmen wirkten und wirken gerade auf unsere Klientinnen re-traumatisierend. Physical Distancing in Form eines #stayathome-Gebots hat viele Klientinnen daran erinnert, wie oft sie eingesperrt waren und wie viele Kinder und/oder Frauen nun in dieser Zeit mit den Tätern eingesperrt sind. Viele Klientinnen bekommen auch Panik, wenn Sie eine Maske aufsetzen müssen, denn für viele gehörte es zur Gewalt, dass der Mund verschlossen wurde. Andere bekommen schlichtweg keine Luft – und dann eben Panik. Hier möchten wir auch noch kurz darauf aufmerksam machen, dass eine Maskenpflicht für gehörlose Menschen riesige Barrieren für ihre Kommunikation schafft. Auch der Krisenmodus der Regierung triggert viele in ihrem Gewalterleben an. Eine Person sagt, was zu tun ist, es wird gehorcht und gefolgt – wie im Gewalterleben.

Kinder, die aktuell von Missbrauch betroffen sind sowie Betroffene von ritueller und organisierter Gewalt werden in diesen Zeiten fast nahezu ausgeblendet, dabei sind gerade sie es, die nun keinerlei Rückzug aus der Gewalt haben, denn Kindertagesstätten und Schulen sind nach wie vor geschlossen, es gibt keine soziale Kontrolle mehr.
 

Wir wollen all jenen eine Stimme geben, die bisher in der Krise übersehen und nicht gesehen werden.
 
Wir freuen uns, wenn Sie sich mit uns in Kontakt setzen und berichten, was Ihnen gerade schwer fällt, was Angst macht, was antriggert oder auch was Ihnen Kraft gibt. Einzelne Sätze möchten wir- selbstverständlich anonymisiert- über Social Media und unsere Website mit Interessierten teilen.
 
Wir sind für Sie da!
 
Beratung kann helfen, egal ob die Gewalt viele Jahre zurück liegt oder Sie aktuell betroffen sind.
 
Sie sind wichtig!

 

Kontakt:
frauenBeratung nürnberg
0911-284400 oder Mail kontakt@frauenBeratung-nuernberg.de
Online-Beratung

 

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PDF-Link Stellungnahme der Kampagne "Nicht gesehen" als PDF-Datei